Emanuel Swedenborg, Wahre Christliche Religion hat geschrieben:28. I. GOTT IST UNENDLICH, WEIL ER IN SICH IST
UND EXISTIRT, UND ALLES IM WELTALL AUS IHM IST
UND EXISTIRT.
Im Bisherigen ist gezeigt worden, dass Gott Einer ist,
und dass er das Selbstständige und das Ursein von
Allem ist, und das alles, was im Weltall ist, entsteht
und besteht, aus ihm ist; daraus folgt, dass Er
unendlich ist. Dass die menschliche Vernunft aus sehr
Vielem im Weltall dies sehen kann, wird in
Folgendem nachgewiesen werden. Obgleich aber der
menschliche Geist daraus sich überzeugen kann, dass
das Urseiende oder Ursein unendlich ist, so kann er
doch nicht erkennen, wie es beschaffen ist, mithin es
nicht anders bestimmen, als dass es das unendliche
All sei, und dass es in sich bestehe, und daher die
eigentliche und einzige Substanz sei, und – weil von
der Substanz nichts ausgesagt werden kann, wofern sie
nicht Form ist – dass es die eigentliche und einzige
Form sei: allein was ist auch damit gewonnen?
Hieraus ergibt sich noch nicht, wie das Unendliche
beschaffen ist; denn der menschliche Geist, wenn er
auch noch so sehr Alles ergründet und in die Höhe
strebt, ist dennoch endlich, und das Endliche in ihm
kann nicht entfernt werden; weshalb der
schlechterdings unfähig ist, die Unendlichkeit Gottes,
wie sie in sich ist, somit Gott zu schauen; er kann
aber Gott im Schatten von hinten sehen, wie zu
Moses gesagt wurde, als er bat, Gott sehen zu dürfen;
wo es von ihm heisst: er sei in eine Felsenkluft
gestellt worden, und habe die Rückseite von ihm
gesehen, 2.Mose 33,20-33., unter der Rückseite
Gottes werden aber die sichtbaren Dinge in der Welt,
und besonders die wahrnehmbaren Dinge im Worte
verstanden. Hieraus erhellt, dass es ein vergebliches
Beginnen ist, erkennen zu wollen, wie Gott in Seinem
Sein oder in Seiner Substanz ist; dass es vielmehr
genügt, Ihn aus den endlichen, das heisst, aus
geschaffenen Dingen zu erkennen, in welchen Er auf
unendliche Weise ist; der Mensch, der tiefer grübeln
will, kann einem in die Luft herausgezogenen Fische
verglichen werden, oder einem unter die Luftpumpe
gesetzten Vogel, der, so wie die Luft herausgepumpt
wird, zu röcheln anfängt und zuletzt stirbt; auch kann
er einem Schiffe verglichen werden, das, wenn es vom
Sturm überwältigt wird, und nicht mehr dem
Steuerruder gehorcht, auf Klippen und Sandbänke
getrieben wird; so geht es denen, die Gottes
Unendlichkeit von innen erkennen wollen, nicht
zufrieden, dass sie dieselbe von außen auf den Grund
zu Tage liegender Belege anzuerkennen vermögen.
Man liest von einem gewissen Philosophen bei den
Alten, er habe sich in‘s Meer gestürzt, weil er die
Ewigkeit der Welt im Lichte seines Geistes nicht
sehen oder begreifen konnte: was würde wohleben
derselbe gethan haben, wenn er die Unendlichkeit
Gottes hätte begreifen wollen?
29. II. GOTT IST DER UNENDLICHE, WEIL ER VOR
DER WELT WAR, UND BEVOR RÄUME UND ZEITEN
ENTSTANDEN SIND.
In der natürlichen Welt gibt es Zeiten und Räume, in
der geistigen Welt hingegen nicht so in der
Wirklichkeit, dennoch aber der [äußern]
Erscheinlichkeit nach. Dass Zeiten und Räume in die
Welten eingeführt wurden, geschah zu dem Ende,
damit das Eine von dem Andern, das Grosse vom
Kleinen, das Viele von dem Wenigen, somit die
Quantität von der Quantität, und so auch die Qualität
von der Qualität unterschieden würde; und damit
durch sie die Sinne des Körpers ihre Gegenstände, und
die Sinne des Geistes die ihrigen unterscheiden, und
so angeregt werden, denken und wählen könnten. Die
Zeiten sind in die natürliche Welt dadurch eingeführt
worden, dass die Erde sich um ihre Axe dreht, und
dass diese Umdrehungen von Station zu Station nach
dem Thierkreise sich fortsetzen, und diese Wechsel
scheinbar durch die Wonne bewirkt werden, von
welcher dem ganzen Erd= und Wasser=Rund seine
Wärme und sein Licht kommt; hierher rühren die
Tageszeiten, oder Morgen, Mittag, Abend und Nacht,
und die Jahreszeiten, oder Frühling, Sommer, Herbst
und Winter; die Tageszeiten für Licht und Finsternis,
und die Jahreszeiten für Wärme und Kälte. Die Räume
hingegen sind in die natürliche Welt dadurch
eingeführt worden, dass die Erde in eine Kugel
zusammengeballt und mit Materien angefüllt worden
ist, deren Theile unter sich geschieden und zugleich
ausgedehnt sind. In der geistigen Welt dagegen gibt es
keine materiellen Räume und ihnen entsprechende
Zeiten, dennoch aber gibt es [äußere]
Erscheinlichkeiten derselben, und diese
Erscheinlichkeiten verhalten sich gemäß den
Unterschieden der Zustände, in welchen sich die
Gemüther der Geister und Engel daselbst befinden;
weshalb die Zeiten und räume daselbst sich nach den
Gefühlen ihres Willens und den daraus
hervorgehenden Gedanken ihres Verstandes richten;
diese Erscheinlichkeiten sind aber real, weil sie
Bestand haben je nach ihren Zuständen. Die
gewöhnliche Meinung vom Zustand der Seelen nach
dem Tode, und somit auch der Engel und Geister ist
die, dass sie nicht in einem Ausgedehnten, mithin
nicht in Raum und Zeit seien, und in Folge dieser
Vorstellung sagt man von den Seelen nach dem Tode,
sie befinden sich in einem Pu oder Irgendwo, und die
Geister und Engel seien geistige Wesen [pneumata],
unter welchen man sich nichts Anderes denkt, als
Aether, Luft, Hauch oder Wind, während sie doch
substanzielle Menschen sind, und unter einander
Leben wie die Menschen der natürlichen Welt in
Räumen und Zeiten, welche, wie gesagt, sich nach
den Zuständen ihrer Gemüther richten. Wäre es anders,
das heisst, wären sie ohne jene, so könnte jenes
Universum in das die Seelen übergehen, und in dem
die Engel und Geister sich aufhalten, durch ein
Nadelöhr gezogen, oder auf Einer Haarspitze
konzentriert werden; was auch möglich wäre, wenn es
dort kein substanzielles Ausgedehntes gäbe; weil es
aber dort ein solches gibt, so wohnen die Engel unter
einander eben so gesondert und geschieden, ja noch
viel mehr von einander geschieden, als die Menschen,
die ein materielles Ausgedehntes haben. Die Zeiten
sind aber dort nicht in Tage, Wochen, Monate und
Jahre abgetheilt, weil die Sonne dorrt nicht auf= und
unterzugehen, noch sich herumzubewegen scheint,
sondern unverrückt im Osten auf der mittleren Höhe
zwischen dem Zenith und dem Horizont stehen bleibt;
und Räume haben sie, weil in jener Welt alles
substanziell ist, was in der natürlichen Welt materiell
ist. Doch mehr hierüber soll in dem Anhang dieses
Kapitels, über die Schöpfung gesagt werden. Aus dem
oben Gesagten kann man ersehen, dass die Räume und
Zeiten Alles und Jedes, was in beiden Welten ist,
begränzen oder endlich machen, und dass somit die
Menschen nicht blos in Rücksicht ihrer Körper,
sondern auch in Rücksicht ihrer Seelen endlich sind,
und ebenso die Engel und Geister. Aus diesem allen
läßt sich der Schluß ziehen, dass Gott unendlich, das
heisst, nicht endlich ist, weil Er als Schöpfer, Bildner
und Werkmeister des Weltalls alles abgegrenzt hat und
zwar durch Seine Sonne, in deren Mitte Er ist, und
welche aus dem Göttlichen Wesen besteht, das aus
Ihm als Sphäre hervorgeht; in ihr und aus ihr ist der
Abgrenzung Erstes; allein ihre Fortbewegung schreitet
bis zum Letzten in der Natur der Welt fort; das Er in
sich unendlich ist, weil unerschaffen, folgt hieraus.
Allein das Unendliche erscheint dem Menschen als ein
Nichts, und dies darum, weil der Mensch endlich ist,
und aus Endlichem denkt; daher ihm denn, wenn das
Endliche, das seinem Denken anhängt, weggenommen
würde, das Uebrigbleibende als ein Nicht=Etwas
vorkäme; der wahre Thatbestand ist aber, dass Gott in
unendlicher Weise Alles, und der Mensch im
Vergleich damit aus sich nichts ist.
30. III. GOTT IST NACH ERSCHAFFUNG DER WELT IM
RAUM OHNE RAUM, UND IN DER ZEIT OHNE ZEIT.
Dass Gott und das Göttliche, das unmittelbar aus Ihm
hervorgeht, nicht im Raume sei, obgleich er
allgegenwärtig ist, und bei jeglichem Menschen in der
Welt, und bei jeglichem Engel im Himmel, und bei
jeglichem Geist unter dem Himmel ist, kann nicht
mittelst einer blos natürlichen Vorstellung,
einigermaßen jedoch mittelst einer geistigen Idee
begriffen werden; es kann aber deshalb nicht durch
eine blos natürliche Vorstellung begriffen werden,
weil in derselben Räumlichkeit enthalten ist; denn sie
ist aus solchen Dingen gebildet, die in der Welt sind,
in deren Allem und Jedem, was mit den Augen
geschaut wird, räumliche Ausdehnung ist; alles
Grosse und Kleine in ihr ist Räumliches, alles Lange,
Breite und Hohe in ihr gehört dem Raum an; mit
Einem Wort, alles Maß, alle Gestalt und Form ist
Angehör des Raumes; dennoch aber kann der Mensch
es einigermaßen mit dem natürlichen Denken erfassen,
sobald er nur etwas geistiges Licht in dasselbe einläßt.
Zuerst aber soll etwas von den Vorstellungen des
geistigen Denkens gesagt werden; diese entlehnen
nichts vom Raume, sondern nehmen all das Ihrige
vom Zustand; und Zustand wird ausgesagt von der
Liebe, vom Leben, von der Weisheit, von den
Gefühlen, von den Freuden, überhaupt vom Guten
und Wahren; die wahrhaft geistigen Vorstellungen von
denselben haben nichts mit dem Raum gemein, sie
sind höher und sehen auf die räumlichen
Vorstellungen unter ihnen herab, wie der Himmel auf
die Erde. Dass Gott im Raume gegenwärtig ist ohne
Raum, und in der Zeit ohne Zeit, davon ist die
Ursache die, dass Gott immer derselbe ist, von
Ewigkeit zu Ewigkeit, somit wie vor der
Weltschöpfung, so auch nach derselben, und dass in
und bei Gott vor der Schöpfung nicht Räume und
Zeiten waren, sondern nach derselben, daher Er denn,
weil Er [stets] derselbe ist, im Raum ohne Raum, und
in der Zeit ohne Zeit ist, woraus folgt, dass die Natur
von ihm getrennt ist, und Er doch in ihr
allgegenwärtig ist; kaum anders als wie das Leben in
allem Substanziellen und Materiellen des Menschen,
obgleich es sich mit diesem nicht vermischt;
vergleichungsweise wie das Licht in den Augen, der
Schall in den Ohren, der Geschmack in der Zunge,
oder wie der Aether in den Erden und Gewässern,
durch welchen Der Erd= und Wasserball
zusammengehalten und herumgetrieben wird, und so
weiter; würden diese wirksamen Kräfte
weggenommen, so würden jene Substanzen und
Materien im Augenblick zusammen= oder
auseinanderfallen; ja der menschliche Geist würde,
wenn Gott nicht überall und zu jeder Zeit in ihm
gegenwärtig wäre, wie eine Blase in die Luft
zerfließen, und beide Gehirne, in welchen er von den
Ausgangspunkten aus thätig ist, würden sich in
Schaum auflösen, und so alles Menschliche zu
Erdenstaub und zu einem in der Atmosphäre
fliegenden Geruchstheilchen werden. Weil Gott in
jeder Zeit ohne Zeit ist, darum spricht Er im Wort
von der Vergangenheit und Zukunft in der Gegenwart,
wie bei Jesajas: „Ein Knabe ist uns geboren, ein Sohn
ist uns gegeben, dessen Name ist Held,
Friedensfürst,“ Kap. 9,5 und bei David: „Verkünden
will Ich vom Beschlossenen, Jehovah sprach zu mir:
Mein Sohn bist Du, Ich habe heute dich gezeugt,“ Ps
2,7. Dies von dem Herrn, der kommen sollte; weshalb
auch bei Ebendemselben gesagt wird: „Tausend Jahre
sind in Deinen Augen wie der gestrige Tag,“ Ps 90,4.
Dass Er überall in der ganzen Welt gegenwärtig ist,
und doch nichts der Welt Eigenthümliches in Ihm ist,
das heisst, nichts, das dem Raum und der Zeit
angehört, kann von den Sehenden und Aufmerkenden
aus vielen andern Stellen im Wort ersehen werden,
wie z.B. aus folgender bei Jeremias: „Bin ich [nur]
Gott in der Nähe, und nicht [auch] aus der Ferne?
Wird sich jemand in Schlupfwinkeln verbergen, dass
Ich [ihn] nicht sehe? Den ganzen Himmel und die
ganze Erde erfülle Ich,“ Kap. 23,23.24.